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Düsseldorf. Über Jahrzehnte hinweg sind Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen Nordrhein-Westfalens Medikamente missbräuchlich verabreicht worden – mit teils gravierenden körperlichen und seelischen Folgen, die viele Betroffene bis heute prägen. Eine vom Land in Auftrag gegebene Studie hat nun erstmals das volle Ausmaß dokumentiert und rückt die Stimmen der Opfer in den Mittelpunkt. Der Untersuchungszeitraum reicht von der Gründung des Landes 1946 bis in die 1980er-Jahre.
Die Ergebnisse wurden am Mittwoch, 10. September, im Düsseldorfer Landtag vorgestellt. Sozialminister Karl-Josef Laumann sprach von einem „unfassbaren Leid“. Die Studie des Medizinethikers Prof. Heiner Fangerau und seines Teams zeige, wie verbreitet und systematisch der Medikamentenmissbrauch war und wie wenig die Betroffenen bislang Gehör fanden.
Die Forschenden werteten Archivmaterial, Fachliteratur und Zeitzeugenberichte aus. Sie stellten fest, dass Medikamente vielfach nicht aus medizinischen Gründen gegeben wurden, sondern um den Heimbetrieb zu erleichtern. Psychopharmaka dienten der Kontrolle und Ruhigstellung, nicht der Behandlung. Besonders erschütternd: Kinder und Jugendliche wurden auch für Medikamententests eingesetzt ohne Einwilligung oder Aufklärung.
Die Studie verdeutlicht zudem, dass der Medikamentenmissbrauch eng mit anderen Gewaltformen verbunden war: körperliche Misshandlungen, entwürdigende Praktiken und sexualisierte Übergriffe traten in deutlich größerem Umfang auf, als bisher bekannt war.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den sogenannten Kinderverschickungen, von denen allein in NRW zwischen den 1950er- und 1990er-Jahren mehr als zwei Millionen Kinder betroffen waren. Auch in Kurheimen und Heilstätten wie Aprath im Kreis Mettmann oder Godeshöhe in Bonn wurden Medikamente zur Kontrolle oder Forschung missbraucht. Zeitzeugen berichten von regelmäßigen Spritzen, Angst und einem von Gewalt geprägten Alltag.
Prof. Fangerau betonte, dass Verantwortliche trotz klarer ethischer Bedenken lange wegsahen.
Zum Abschluss der Vorstellung bat Minister Laumann die Betroffenen um Entschuldigung: „Kein Geld und keine Unterstützung können wiedergutmachen, was den Kindern angetan wurde. Einrichtungen, die Schutz bieten sollten, wurden zu Orten des Leids. Dafür bitte ich alle Opfer im Namen der Landesregierung aufrichtig um Verzeihung.“
Geschrieben von: Florian Jäger
today29. September 2025
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