Politik

Berlin und Stockholm rücken enger zusammen 

today20. November 2025

Hintergrund
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Der erste Besuch des schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson seit dem NATO-Beitritt seines Landes stand ganz im Zeichen enger Partnerschaft. Bundeskanzler Friedrich Merz begrüßte seinen Amtskollegen „mit großer Freude“ in Berlin, beide machten schnell deutlich, dass sie in sicherheitspolitisch unruhigen Zeiten auf einen Schulterschluss setzen.

Schon die Zusammensetzung der Delegation zeigte den Anspruch: Vertreter aus Politik und Wirtschaft begleiteten Kristersson, dazu Kronprinzessin Victoria, die im Bundestag im vergangenen Jahr mit einer bewegenden Rede zum Volkstrauertag Eindruck hinterlassen hatte. Ein Besuch der Symbolkraft und politische Substanz versuchte zu verbinden.

Deutschland und Schweden wollen ihre bereits bestehende Innovationspartnerschaft deutlich ausbauen. Im Zentrum stehen künftig Sicherheit, Verteidigung, Migration und Finanzpolitik. Merz betonte, man habe beschlossen, „die Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in den Mittelpunkt“ zu stellen.

Die Verteidigungsminister beider Länder hatten bereits am Vortag eine Vereinbarung unterzeichnet, die eine engere Kooperation der Verteidigungsindustrien vorsieht. Merz zeigte sich überzeugt, dass die EU dazu beitragen müsse, Hürden im Rüstungs-Binnenmarkt abzubauen. Schweden teilt diese Sicht: Für kleine Länder sei internationale Zusammenarbeit entscheidend, erklärte Kristersson.

Dass der russische Angriffskrieg vieles verändert hat, waren sich beide Regierungschefs einig. Bundeskanzler Merz sprach offen von einem Krieg, der Europa zusammenschweiße: „Russlands Versuche, Europa zu spalten, gehen nicht auf.“  Deutschland will im nächsten Jahr weitere drei Milliarden Euro für das ukrainische Militär bereitstellen.

Der deutsche Kanzler zeigte sich besorgt über die jüngsten Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine. Er sprach von einem „reinen Terrorkrieg“ gegen die Zivilbevölkerung. Deutschland hat seine Beiträge zum Ukraine Energy Support Fund auf 450 Millionen Euro erhöht und prüfe weitere Hilfen, vor allem für den bevorstehenden Winter.

Beide Regierungschefs machten zugleich deutlich, dass sie von der Ukraine Reformen erwarten. Friedrich Merz betonte: „Ein schonungsloses Vorgehen gegen die Korruption ist ein absolutes Muss.“ Auch Kristersson hob hervor, dass man „sehr offene Worte“ zu diesem Thema finden müsse.

Heikle Waffendiskussionen – Angesprochen auf die bisher ausbleibende Lieferung des deutsch-schwedischen Marschflugkörpers Taurus, blieb Kanzler Merz bewusst vage. Man arbeite eng mit der Ukraine an Projekten für “Long-Range Fire”, Details würden aber bewusst nicht öffentlich gemacht.

Wichtig sei, dass die Ukraine mit Systemen mit großer Reichweite ausgestattet werde und dass diese Unterstützung noch ausgebaut werde.

Kristersson wiederum betonte, dass jedes Land seine eigenen Entscheidungen treffen müsse. Grundsätzlich könne die Ukraine jedoch “praktisch alles gebrauchen”. Schweden selbst konzentriere sich derzeit auf seine Beiträge in der F-16-Koalition, vor allem mit Luftüberwachungsflugzeugen.

Neben den Themen Sicherheit und Verteidigung ging es auch um typische EU-Fragen. Merz ist sich sicher, irreguläre Migration sei “eine gesamteuropäische Herausforderung”. Deutschland habe zwar schon weniger Asylanträge, “aber das reicht noch nicht”.

Ein weiterer Punkt war die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Regeln sollen einfacher werden, damit Unternehmen schneller handeln können. Auch der langfristige EU-Haushalt soll stärker auf Wachstum ausgerichtet werden.

Beide Regierungen unterstützen den Vorschlag, eingefrorene russische Gelder als Sicherheit für Kredite an die Ukraine zu nutzen. Bundeskanzler Merz wirbt dafür in ganz Europa und hofft auf eine Entscheidung beim EU-Gipfel am 18. Dezember. Kristersson stimmt dem zu, weist aber darauf hin, dass die Bedenken Belgiens ernst genommen werden müssen.

Kristersson lobte Deutschland als “starken Partner und verlässlichen Freund”. Merz betonte, dass es “eigentlich keine Probleme” zwischen beiden Ländern gebe. Ob sich diese Einschätzung hält, trotz der großen Herausforderungen wird sich zeigen. 

Geschrieben von: Gunnar Noll

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