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Wenn der Wind weht, fliegen die Fetzen – Streit um Windkraft entfacht Leidenschaft im Bürgermeisterduell

today12. Juli 2025 5

Hintergrund
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Es war der Moment, in dem aus einem respektvollen Austausch ein echtes Ringen wurde. Inmitten eines sachlichen, nahezu harmonischen Bürgermeisterduells schlug plötzlich eine Windböe mitten ins Studio – unsichtbar, aber spürbar. Thema: Windkraft. Zwei Überzeugungen, zwei Persönlichkeiten – und eine Stadt, die entscheiden muss, wohin der Wind sie trägt.

„Ich habe das im Wahlprogramm gelesen…“ – Baier greift an
Markus Baier, der amtierende Bürgermeister, war bis dahin sachlich, ruhig, überlegt. Doch beim Thema Windkraft veränderte sich sein Ton. Er wurde fester, direkter – fast kämpferisch:

„Ich bin nicht der Meinung – und ich schätze, Herr Pohl ist es – dass wir in Lemgo Windkraftanlagen einfach überall errichten sollten, auch außerhalb der vorgesehenen Flächen. Das steht so im Wahlprogramm der Grünen. Ich habe es gestern noch nachgelesen.“

Ein Satz, der saß. Dr. Burkhard Pohl, sonst der ruhige Analytiker, nahm Haltung an. Seine Stimme blieb ruhig, doch in der Luft lag Spannung – die gute, die lebendige.

„Ich weise diese Unterstellung entschieden zurück“, entgegnete er. „Wir wollen Windkraft dort, wo sie sinnvoll, machbar und verträglich ist – mit der Umwelt und den Menschen.“

Wieviel Wandel verträgt die Landschaft?
Der Streitpunkt war mehr als nur ein planerischer Disput. Es ging um das Verhältnis von Fortschritt und Heimat, von Klimaschutz und Lebensqualität. Pohl warb für Mut, für neue Flächen, für eine ehrliche Prüfung jeder Möglichkeit. Baier dagegen hielt an einem alten Konsens fest: Windkraft ja – aber innerhalb der klar definierten Grenzen.

„Wir haben vor zehn Jahren einen Kompromiss geschlossen“, so Baier mit Nachdruck. „Und der reicht aus, um unsere ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Wir brauchen keine Ausweitung um jeden Preis.“

Doch Pohl konterte – mit einem Appell, der mehr war als politische Rhetorik:

„Der Klimawandel wartet nicht, Herr Baier. Wenn wir bremsen, bremst niemand sonst. Wir können uns das Zögern nicht mehr leisten.“

Es ging um Wind. Und es ging um Richtung.
Während Baier auf technische Umsetzbarkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung pochte – „Niemand will ein Windrad im eigenen Garten“ – erinnerte Pohl daran, dass wir nicht nur für uns handeln:

„Unsere Kinder werden uns fragen, ob wir alles getan haben. Und ich will dann sagen können: Ja, wir haben es wenigstens versucht.“

Die Spannung im Studio war greifbar. Man spürte: Hier treffen nicht Gegner aufeinander, sondern zwei unterschiedliche politische Philosophien. Der vorsichtige Bewahrer. Der progressive Antreiber. Beide tief verwurzelt in Lemgo. Beide überzeugt, das Richtige zu wollen.

Ein Konflikt, der nicht spaltet, sondern klärt
So emotional die Auseinandersetzung war – sie war auch ein Geschenk an die Demokratie. Denn inmitten aller Differenzen wurde deutlich: Dieser Streit ist kein Bruch, sondern Ausdruck echter Verantwortung. Hier geht es nicht um Rechthaberei – hier geht es um das, was bleibt.

Die Windkraft-Debatte im Bürgermeisterduell war kein Gewitter – sie war ein warmer Sommersturm. Einer, der aufrüttelt. Der uns zeigt, wie ernst die Fragen unserer Zeit sind. Und wie wichtig es ist, sie nicht zu ersticken, sondern mit offenem Visier zu führen.

Lemgo hat die Wahl – nicht nur zwischen Personen, sondern zwischen Wegen in den Wind.

Geschrieben von: stanley.dost

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