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Die Hüter des vergessenen Obstes – Wie Lemgo verlorene Apfelträume rettet

today10. August 2025 5

Hintergrund
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Zwischen knorrigen Obstbäumen, vergilbten Sortenbüchern und dem süßen Duft reifer Früchte spielt sich in Lemgo eine Geschichte ab, die nach Heimat und Erinnerung schmeckt.
Der BUND Lemgo hat sich einer Aufgabe verschrieben, die so poetisch wie knifflig ist: das Erkennen und Bewahren alter, teils längst vergessener Apfel- und Birnensorten.

Immer wieder erreichen die Ortsgruppe Anfragen von Bürgern, die in ihren Gärten auf Bäume stoßen, deren Früchte keiner mehr beim Namen nennen kann. Doch ein Foto reicht nicht – die Natur ist detailverliebt, und bei den rund 2.000 bis 3.000 noch existierenden Sorten in Deutschland kommt es auf jede winzige Nuance an.

Hier betritt Anton Klaus die Bühne – Pomologe aus Bayern, Besitzer eines Gartens mit über 600 Sorten und einem Gedächtnis, das so scharf ist wie die Säure einer frisch gepflückten Goldparmäne. „Mindestens 20 Jahre Erfahrung, ein fotografisches Gedächtnis und feine Geschmacksknospen“, nennt er als Grundausstattung seines Berufes. Farbe, Form, Kelchgrube, Stiel, Kerngehäuse – selbst der Glanz der Schale kann entscheidend sein. Manchmal muss er in jahrhundertealte Obstliteratur eintauchen, um ein Rätsel zu lösen.

Seit Beginn der Kooperation schicken Menschen aus ganz Deutschland drei bis fünf makellose, sonnengereifte Früchte ihrer unbekannten Schätze nach Bayern – oft mit der Geschichte des Baumes im Gepäck. 100 bis 150 Pakete pro Jahr erreichen Anton Klaus, gefüllt mit Hoffnungen und Erinnerungen. Seine Erfolgsquote? Beeindruckende 80 bis 90 Prozent.

Und manchmal passiert das Wunder: Eine verschollen geglaubte Sorte taucht wieder auf. Dann wandert ihr Name in die Obstsortendatenbank des BUND Lemgo – mitsamt Informationen zur Herkunft, zur besten Pflückzeit und dem Moment, in dem ihr Aroma zur Perfektion reift. Denn manche Sorten, wie der „Weiße Winterglockenapfel“, entfalten ihr volles Potenzial erst Wochen nach der Ernte. Andere, wie der „Ontario“ oder die „Champagnerrenette“, trotzen der Zeit und bleiben im kühlen Keller bis zum Mai frisch und knackig.

Es ist mehr als Sortenbestimmung – es ist Rettung eines kulinarischen Erbes. Jeder bestimmte Apfel, jede identifizierte Birne ist ein Stück Geschichte, das nicht in Vergessenheit geraten darf.

Geschrieben von: stanley.dost

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