Europa

Zensur durch die Hintertür? – Juristin warnt vor Gefahr für Meinungsfreiheit durch EU-Digitalgesetz

today19. Juli 2025

Hintergrund
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Mit dem Digital Services Act (DSA) will die Europäische Union das Internet sicherer machen und Hassrede sowie Falschinformationen auf Online-Plattformen eindämmen. Doch die Juristin Johanna Rinceanu schlägt in einem Vortrag Alarm: Die Regulierung könnte zum Bumerang für die Meinungsfreiheit werden – und sogar die Demokratie gefährden.

In ihrer Analyse wirft Rinceanu einen kritischen Blick auf die tiefgreifenden Folgen des DSA, der Online-Dienste künftig zu mehr Verantwortung bei der Moderation von Inhalten verpflichtet. Sie warnt:
„Private Unternehmen agieren als Gatekeeper an der Schwelle der Menschenrechte.“

Statt rechtlich abgesicherter Kontrolle entstehe eine Form der „privatisierten Paralleljustiz“, bei der Plattformbetreiber eigenmächtig darüber entscheiden, was gesagt werden darf – und was nicht. Der DSA fokussiere sich fast ausschließlich auf die Einschränkung „problematischer Inhalte“, ohne dabei klare Kriterien oder transparente Verfahren zu gewährleisten.

Das Internet – ein Ort zwischen Freiheit und Kontrolle
Rinceanu betont in ihrem Vortrag die Ambivalenz des Internets: Es sei Raum für freie Diskussion, politisches Engagement und zivilgesellschaftliche Vernetzung. Gleichzeitig herrschten dort Hassrede, Desinformation und Überwachung. Diese Mischung mache das Netz schwer regulierbar – erst recht auf globaler Ebene. Nationale Maßnahmen greifen oft ins Leere.

Besonders kritisch sieht sie die Machtkonzentration bei Konzernen wie Alphabet, Meta, Amazon, Apple und Microsoft – den sogenannten „Big Five“. Diese Unternehmen hätten nicht nur wirtschaftliche, sondern auch zunehmende politische Kontrolle über den digitalen Diskurs.

Drei digitale Imperien im Vergleich
Rinceanu unterscheidet drei große Modelle der Internetregulierung:

  • USA: marktgetrieben, mit starkem Fokus auf Meinungsfreiheit

  • China: staatlich kontrolliert, mit umfassender Zensur

  • EU: menschenrechtsbasiert, aber mit einschränkbarer Meinungsfreiheit

Gerade in der EU, so Rinceanu, sei das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht absolut, sondern stets im Spannungsfeld mit anderen Grundrechten wie der Menschenwürde oder dem Datenschutz.

Warnung vor globaler Blaupause für Zensur
Brisant: Die Juristin weist darauf hin, dass ausgerechnet deutsche Gesetzgebung als Vorlage für autoritäre Internetzensur – etwa in China – diente. Ihre Sorge: „Was als gut gemeinter Schutz gedacht ist, könnte zur Steilvorlage für Unterdrückung werden.“

Fazit:
Der Digital Services Act bringt wichtige Debatten über Verantwortung im Netz auf den Tisch – doch der Preis könnte hoch sein. Johanna Rinceanu warnt eindringlich: „Die Demokratie darf nicht auf dem Altar digitaler Kontrolle geopfert werden.“ Der Gesetzgeber steht vor einer schwierigen Gratwanderung zwischen Schutz und Freiheit.

Geschrieben von: stanley.dost

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