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today19. Juni 2025
Madrid – Die sozialdemokratische Regierungspartei PSOE steht in Spanien wegen neuer Korruptionsvorwürfe unter massivem Druck. Im Zentrum des Skandals: Santos Cerdán, enger Vertrauter von Ministerpräsident Pedro Sánchez und bis vor Kurzem dritter Mann in der Parteihierarchie. Die Affäre heizt die politische Debatte im Land an und bringt die ohnehin fragile Regierungsmehrheit ins Wanken.
Schon zu Beginn der Parlamentsdebatte am Montag war die Stimmung aufgeheizt. „Dimisión!“ – „Rücktritt!“ – riefen die Abgeordneten der konservativen Opposition im Chor. Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo attackierte Premier Sánchez scharf und warf ihm vor, ein „Wolf im Rudel der Korrupten“ zu sein. Sánchez konterte mit einer Gegenoffensive: Die konservative Partido Popular (PP) sei „eine Enzyklopädie der Korruption“.
Die Auseinandersetzung geriet zur Schlammschlacht zwischen politischen Lagern, bei der es nicht mehr nur um die aktuellen Vorwürfe geht, sondern um ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem politischen System.
Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht Santos Cerdán, der laut einem Bericht der Korruptionseinheit UCO mutmaßlich Schmiergeld in Millionenhöhe für öffentliche Bauaufträge organisiert haben soll. Auf fast 500 Seiten dokumentieren die Ermittler mögliche Verbindungen zu einer kriminellen Struktur, inklusive abgehörter Gespräche mit Ex-Verkehrsminister José Luis Ábalos und dessen Berater.
Die Enthüllungen werfen einen Schatten auf Sánchez‘ Führungsstil: Selbst regierungsnahe Medien zweifeln, ob der Premier wirklich nichts von den Machenschaften wusste. Die Zeitung El País sieht ihn in der besten Deutung als schlechten Personalentscheider, in der schlimmsten als Mitwisser.
Die Empörung in der Bevölkerung ist groß. Bereits vor den jüngsten Enthüllungen hatte die PP rund 50.000 Demonstrierende unter dem Slogan „Mafia oder Demokratie?“ mobilisiert. Nun werden die Rufe nach Neuwahlen lauter – nicht nur aus den Reihen der Opposition.
Sánchez’ linkes Regierungsbündnis „Sumar“ distanziert sich zunehmend von der PSOE und betont, „die saubere Linke“ zu sein. Einige Abgeordnete denken offen über einen Bruch des Bündnisses nach. Der Ministerpräsident versucht derweil, die Reihen zu schließen und sondiert Unterstützung bei kleineren Regionalparteien – ein riskantes Unterfangen, das politische Zugeständnisse erfordert.
Ein Misstrauensvotum gegen Sánchez scheint derzeit zwar denkbar, aber noch nicht mehrheitsfähig. Auch Oppositionsführer Feijóo müsste dafür auf Stimmen aus dem Lager der katalanischen Separatisten zählen – und das wiederum könnte seiner Glaubwürdigkeit schaden.
Ob Sánchez über die volle Legislaturperiode hinaus regieren kann, ist fraglich. Politologe Víctor Lapuente von der Universität Göteborg zeigt sich skeptisch: „Sánchez war schon öfter politisch totgesagt – aber diesmal ist der Schaden tiefgreifend.“ Eine Rückkehr zur Tagesordnung scheint ausgeschlossen. Der Vertrauensverlust in die politische Klasse betrifft beide großen Lager gleichermaßen.
Der Korruptionsskandal könnte Spanien bis zur nächsten Wahl begleiten – und die politische Landschaft nachhaltig verändern.
Geschrieben von: Florian Jäger
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