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today16. Juni 2025 5
Es ist kurz vor Semesterstart, und Leonie (22), angehende Bauingenieurin an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL), sitzt mit vier Tabs offen am Laptop: WG-Gesucht, Immoscout, Kleinanzeigen und wohnungsboerse.net. Ihre Hoffnung? Ein Zimmer in Lemgo, bezahlbar, möglichst nahe am Campus. Die Realität? „Nach zehn Minuten sind die guten Angebote schon weg – ich komme kaum hinterher“, sagt sie. Ihre Übergangslösung: ein Gästezimmer bei Bekannten in Lage – 35 Minuten pendeln, jeden Tag.
Leonie ist kein Einzelfall. Immer mehr Auszubildende und Studierende in Lemgo stehen vor dem gleichen Problem: Es gibt schlicht nicht genug bezahlbaren Wohnraum. Und das, obwohl Lemgo mit der TH OWL, Berufskollegs und einer wachsenden Zahl junger Menschen eigentlich einen starken Ausbildungsstandort bildet.
Ein Blick auf aktuelle Online-Plattformen macht deutlich: Wer ein 1-Zimmer-Apartment in Lemgo ergattern will, braucht Geduld, Geld – und oft Glück. Die günstigsten Angebote beginnen derzeit bei etwa 315 Euro Kaltmiete für rund 28 Quadratmeter. Doch diese Wohnungen sind binnen weniger Stunden reserviert – häufig sogar, bevor sie überhaupt aktiv geschaltet sind. Laut Plattform-Auswertungen wie von immobilienscout24.de, lwz24.de oder wohnungsboerse.net gibt es pro günstige Wohnung mehrere Dutzend Bewerbungen innerhalb von 24 Stunden.
WG-Zimmer sind nicht viel einfacher zu finden: Auf WG-Gesucht.de lag der durchschnittliche Mietpreis im Mai bei 355 Euro – nur knapp unter Detmold, aber deutlich höher als in vergleichbaren Mittelstädten mit Hochschulstandorten. Besonders beliebt: die Innenstadtlagen rund um die Papenstraße oder die Bunsenstraße – nah zur Hochschule, mit Busanbindung und fußläufiger Infrastruktur. Die Preisrange reicht dort von 228 Euro für 16 Quadratmeter bis hin zu 375 Euro für ein modernes WG-Zimmer mit Balkon.
Ein vermeintlicher Hoffnungsschimmer sind die neu gebauten Studentenapartments am Lüttfeld. Hier bieten private Betreiber voll möblierte Miniwohnungen mit rund 27 Quadratmetern Fläche. Inklusive sind Internet, Strom, Wasser, teilweise sogar Hausmeisterdienste. Die Mieten starten bei 400 Euro warm – ein Rundum-Sorglos-Paket, aber eben auch: ein Premium-Produkt.
„Das ist superkomfortabel, aber nichts für Azubis mit 730 Euro Netto oder Studis mit BAFöG“, meint Jonas (20), der nach einer Ausbildung bei Phoenix Contact ein Maschinenbaustudium aufgenommen hat. Er lebt derzeit mit drei anderen in einer Altbau-WG – Küche und Bad teilen sich alle, Fenster ziehen, Schimmel im Bad. Warmmiete: 280 Euro. „Ich kann’s mir nicht schöner leisten“, sagt er nüchtern.
Die Situation bleibt angespannt. Die TH OWL und das HANSE-Berufskolleg bestätigen: Wohnraumknappheit ist ein wiederkehrendes Thema in Beratungsgesprächen. Immer häufiger ziehen Studierende und Auszubildende nach Detmold, Lage oder sogar Bad Salzuflen, um überhaupt eine Unterkunft zu finden. Pendeln wird zur Norm – auch wenn das zusätzliche Belastung und weniger Zeit für Lernen bedeutet.
„Die Nachfrage übersteigt das Angebot schon seit Jahren – besonders bei kleinen, günstigen Einheiten“, bestätigt auch ein Mitarbeiter der Stadtentwicklung auf Anfrage. Zwar gebe es im städtischen Raum verschiedene Neubauprojekte, doch viele davon seien auf Familien oder gehobene Wohnwünsche ausgelegt – eben größere Wohnungen mit höherem Mietniveau.
Ein klassisches Studentenwohnheim in städtischer Trägerschaft? Fehlanzeige. In Lemgo existiert derzeit kein vollwertiges öffentliches Wohnheimmodell mit subventionierten Mieten oder Belegrechten. Die wenigen Angebote stammen von Privatgesellschaften – mit entsprechendem Preisniveau.
Ein weiteres Problem: Der Leerstand bei sogenannten Kapitalanlage-Objekten. Immer mehr Mikroapartments werden als Eigentumswohnungen für Anleger gebaut – die Mietpreise werden entsprechend kalkuliert. Für viele Studierende unerschwinglich. Und wenn ein Objekt mal leersteht, wird es lieber leer gelassen, als für weniger als 500 Euro zu vermieten.
Dazu kommt die teilweise zögerliche Haltung einiger Eigentümer:innen gegenüber jungen Mieter:innen. Partyvorurteile, Bedenken wegen kurzfristiger Mietverhältnisse oder Bürokratie bei Mietverträgen sorgen dafür, dass Azubis und Studis oft als letzte auf der Liste stehen. Besonders betroffen: internationale Studierende oder junge Leute ohne festen Arbeitsvertrag.
Lemgos Stadtverwaltung arbeitet zwar an neuen Flächennutzungsplänen, setzt dabei aber eher auf langfristige Wohnbauentwicklung. Schnelle Hilfe für Azubis oder Erstsemester ist derzeit nicht in Sicht. „Wir prüfen derzeit gezielte Fördermöglichkeiten für studentisches Wohnen“, heißt es vonseiten der Stadt – doch konkrete Projekte oder ein Baubeginn stehen noch aus.
Auch die Wohnungsbaugesellschaft Lippe (WBL) hat laut Geschäftsbericht 2024/25 derzeit keine spezifischen Projekte im studentischen oder Azubi-Bereich. Ein Sprecher deutete jedoch an, dass bei genügend Nachfrage neue Konzepte geprüft würden. Die Hochschule selbst hat mehrfach betont, dass studentisches Wohnen zur Attraktivität des Standorts gehört – und ruft offen zur Zusammenarbeit mit der Stadt auf.
Die Wohnraumsituation in Lemgo ist längst kein Randthema mehr – sie berührt zentrale Fragen von Chancengleichheit, Bildungszugang und städtischer Entwicklung. Während TH OWL und Berufskollegs junge Menschen aus ganz NRW und darüber hinaus anziehen, bremst der knappe Wohnungsmarkt viele aus. Lemgo braucht mehr als Mikroapartments mit Designerlampen – nämlich Lösungen für diejenigen, die sich mit 500 Euro im Monat keine Miete vom Mund absparen können.
Wer Bildung fördern will, muss Wohnraum sichern – und zwar dort, wo gelernt, gelebt und gearbeitet wird.
Geschrieben von: stanley.dost
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