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„Wir sind noch hier.“ – Warum der Pride Month 2025 wichtiger ist denn je

today2. Juni 2025 5

Hintergrund
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Seit den Stonewall-Aufständen 1969 in New York ist der Juni weltweit als Pride Month verankert – ein Monat des Stolzes ( = Pride), der Erinnerung und des Protests.
Doch 2025 ist Pride nicht nur Party und ausruhen auf dem, was bereits erreicht wurde, sondern Verteidigung. Denn inmitten wachsender queerfeindlicher Bewegungen, autoritärer Rückschritte und rechter Kulturkämpfe wird queeres Leben erneut ins Visier genommen und unterdrückt.

Statt einer stillen Akzeptanz erleben wir eine laute Ablehnung – und genau deshalb ist der Pride nicht überholt oder unwichtig geworden, sondern wieder überlebenswichtig.

Pride unter Druck

In den Vereinigten Staaten steht der Pride Month 2025 im Schatten massiver politischer Angriffe: Unter der Regierung Trump 2.0 wurden Trans-Rechte empfindlich beschnitten. Zahlreiche Bundesstaaten haben medizinische Maßnahmen für trans Jugendliche verboten, Drag-Auftritte in der Öffentlichkeit kriminalisiert und LGBTQ+-Inhalte aus Schulen verbannt. Florida, Texas und Tennessee setzen sich dabei an die Spitze einer neuen Welle staatlicher Queerfeindlichkeit.

Trotzdem – oder gerade deshalb – fand der diesjährige WorldPride in Washington, D.C. statt. Millionen demonstrierten friedlich für Freiheit und Gleichheit, flankiert von erhöhter Polizei- und Sicherheitspräsenz. Die Botschaft: Sichtbarkeit lässt sich nicht verbieten.

Sichtbarkeit per Gesetz unterdrückt

In Ungarn wurde Pride 2025 zum Beispiel durch gezielte gesetzliche Hürden praktisch verunmöglicht. Öffentliche Versammlungen wurden verboten, Plakatkampagnen zensiert, queere Inhalte in den Medien kriminalisiert. Was sich wie eine dystopische Kulisse liest, ist bittere Realität: Der Staat macht queere Existenz unsichtbar.

Aktivist*innen reagieren kreativ – mit Untergrund-Kunst, geheimen Versammlungen und internationaler Vernetzung. Doch der Preis ist hoch: Bedrohungen, Jobverlust, Exil. Pride bedeutet hier nicht feiern – sondern überleben.

Deutschland: Rechte Angriffe und die Macht der Symbolik

Auch hierzulande verschärft sich der Ton: Die AfD inszeniert seit einigen Jahren bereits den sogenannten „Stolzmonat“ als Gegenbewegung zum LGBTQ-Pride – ein sprachlicher Frontalangriff auf queere Identitäten. Unter dem Deckmantel der „Normalität“ wird Stimmung gemacht gegen queere Sichtbarkeit, gegen Regenbogenfahnen an öffentlichen Gebäuden und gegen Fördermittel für Pride-Veranstaltungen. 

Dabei wird gezielt der Eindruck vermittelt, der Pride sei eine „aufoktroyierte Ideologie“, was nicht der Wahrheit entspricht. Was dabei ausgeblendet wird ist, dass viele queere Menschen in Deutschland noch immer Gewalt, Ausgrenzung und familiäre Ablehnung erfahren. Die Gewalt gegen queere Menschen hat dabei insbesondere zugenommen, was eigentlich aufgrund unserer gesellschaftlichen Regeln und den Gesetzen nicht vorkommen sollte, sowie für Betroffene unerklärlich ist. Die Notwendigkeit für Pride ist daher weiterhin real – trotz unserer rechtlichen Fortschritte.

Großbritannien, Polen, Türkei: Rückschritt in der Mitte Europas

Allerdings verlieren zum Beispiel in Großbritannien derzeit LGBTQ+-Organisationen wie „Stonewall“ an Einfluss. Öffentliche Debatten um trans*-Rechte sorgen für Spaltung und Budgetkürzungen. Dabei machen trans*-Menschen nur etwa 0,1% der Bevölkerung aus.
In Schottland haben trans* Menschen im Mai 2025 mit eindrucksvollen Protestaktionen auf ein umstrittenes Urteil des britischen Supreme Court reagiert, das den Begriff „Frau“ im Gleichstellungsgesetz ausschließlich auf cis-Frauen beschränkt. Vor dem Parlament in Edinburgh demonstrierten daher trans*-Frauen still, aber ausdrucksstark – mit bemalten Armen, oberkörperfrei, mit weißen Rosen und verklebten Mündern – gegen das Schweigen, das ihnen politisch auferlegt werde. Da sie nach dem Urteil wieder männlich konnotiert sind, ist unklar, ob die Oberkörperfreiheit zu einer Strafe führt oder nicht. Soviel zur Unsinnigkeit solcher Urteile und Gesetze. Es ist auf jeden Fall ein Ausdruck des wachsenden Widerstands gegen juristische Entmündigung.

In Polen wurden zwar die sogenannten „LGBT-ideologiefreien Zonen“ 2022 gerichtlich durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kassiert, doch die queerfeindliche Rhetorik lebt in konservativen Parteien und katholischen Medien fort. Nach den gestrigen Präsidentenwahlen wohl noch mehr als bisher.

In der Türkei sind Pride-Paraden weiterhin komplett verboten. Wer hier protestiert, wird kriminalisiert – trotzdem zeigen sich die Aktivist*innen unbeugsam. In Izmir und Istanbul fanden 2025 symbolische Märsche in geschlossenen Räumen statt, gestreamt ins Netz – Ausdruck einer unterdrückten, aber nicht gebrochenen Bewegung.

Zwischen Kommerz und Kampfgeist

Manche kritisieren die Pride-Demonstrationen als zu kommerziell, zu bunt, zu angepasst. Der Begriff „Parade“ taucht oft auf und ist doch irreführend. Doch gerade in Zeiten politischer Anfeindung zeigt sich, dass Sichtbarkeit allein noch keine Sicherheit bedeutet. Der Pride ist nicht nur Parade – sondern ein unendlicher Protest. Ein Ort, an dem queeres Leben zelebriert wird, weil es bedroht ist.

Die Glitzer- und Glamour-Demonstration und die politische Forderung stehen dabei nicht im Widerspruch – sie sind zwei Seiten derselben Medaille!

2025 ist aber kein Jahr zum Ausruhen. Es ist ein Jahr, in dem sich zeigt, wer solidarisch mit Menschen ist, die oft nicht gesehen werden, wer laut bleibt – und wer schweigt. Während die rechten Kräfte etwas von „Umerziehung“ und „Unnatürlichkeit“ fantasieren und den „Regenbogen“ weiterhin als Feindbild aufbauen, formiert sich Widerstand, der klüger, internationaler und mutiger sein muss als je zuvor!

Pride bedeutet eben nicht, dass queere Menschen schon angekommen sind und die gleichen Rechte und Pflichten auf der ganzen Welt genießen. Pride bedeutet, dass  immer noch gekämpft werden muss – aber eben mit Stolz, mit mit Liebe, trotz des Schmerzes.

Geschrieben von: stanley.dost

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