Deutschland

Wenn der Alkohol leiser flüstert als die Not – Nadja abd el Farrag und das Schweigen im Alltag

today13. Mai 2025

Hintergrund
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Ihr Tod ist tragisch, ihr Leben ein Spiegel. Und auch im Kreis Lippe steigen die Zahlen – Alkohol bleibt ein stiller Brand, den kaum jemand laut benennt.

Am vergangenen Freitag starb Nadja abd el Farrag, einst bekannt als „Naddel“, in einer Klinik in Hamburg an multiplem Organversagen. Sie wurde 60 Jahre alt. Viel wurde über sie gelacht, viel wurde geschrieben – oft reißerisch, selten mit wirklicher Empathie. Was blieb, war eine Frau, die offen über ihre Alkoholprobleme sprach. „Ich trinke zu viel“, sagte sie – klar, ungefiltert, verletzlich.

Es ist ein Satz, der in vielen Leben keinen Platz findet. Denn die meisten schweigen. Auch hier im Kreis Lippe und NRW. Dabei sprechen die Zahlen eine laute Sprache: Krankenkassen wie die AOK berichten von einem drastischen Anstieg der Fehlzeiten wegen alkoholbedingter Erkrankungen – auch in Ostwestfalen-Lippe. Die Gründe sind komplex: seelische Überforderung, Unsicherheit, Stress, Einsamkeit und letztlich noch die Folgen der Pandemie. Alkohol wird dabei zum Fluch, der wie ein Freund beginnt. Doch er ist keiner.

Alkohol zerstört leise: Familien, Körper, Karrieren; und schließlich das Selbstwertgefühl.
Viele trinken dabei nicht mehr aus Genuss, sondern vielleicht aus Not. Und genau diese Not wird selten gesehen.

„Alkoholabhängigkeit ist keine Charakterschwäche“, sagt dazu eine Beraterin einer Lippischen Suchthilfeeinrichtung. „Sie ist eine Krankheit. Aber solange wir sie mit Scham belegen, wird sie weiter wachsen – im Stillen.“

Die Geschichte von Nadja abd el Farrag ist tragisch, ja – aber sie ist leider nicht einzigartig. Sie ist das Gesicht von Tausenden, die zu kämpfen haben, ohne wirklich gesehen zu werden.

Denkt daran: Alkohol betäubt. Aber er heilt nichts. Er macht Sorgen stiller – nicht kleiner. Er zerschneidet keine Ketten, sondern schmiedet neue. Wer spürt, dass der Alkohol zum Begleiter wird, der ist nicht allein. Es gibt Hilfe. Und es ist kein Zeichen von Schwäche, danach zu greifen. Im Gegenteil: Es ist der erste Schritt, wieder laut zu leben.


Hilfe & Beratung im Kreis Lippe

Diese Stellen helfen Alkoholopfern – vertraulich und kostenlos:

Suchtberatung der Diakonie Lemgo
Bismarckstraße 8, 32657 Lemgo
Telefon: 05261 / 92 69 0
E-Mail: suchtberatung@diakonie-lippe.de
www.diakonie-lippe.de

Caritas Beratungsstelle Detmold
Meierstraße 15, 32756 Detmold
Telefon: 05231 / 92 16 0
E-Mail: info@caritas-detmold.de
www.caritas-detmold.de

Blaues Kreuz Lippe e.V.
Selbsthilfegruppe – verschiedene Standorte
Kontakt: über www.blaues-kreuz.de
Angebote für Betroffene und Angehörige

Suchtberatung der LWL-Klinik Marsberg (regional zuständig)
Telefon: 02992 / 6010
Suchtambulanz mit Fachärztinnen und Psychologinnen

Telefonseelsorge (bundesweit, anonym):
0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222
www.telefonseelsorge.de

Geschrieben von: stanley.dost

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