Deutschland

Friedrich Merz zum Kanzler gewählt – ein Amtsantritt mit Dellen

today6. Mai 2025

Hintergrund
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Friedrich Merz ist am heutigen Dienstag im zweiten Wahlgang vom Bundestag zum neunten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden – doch der Weg dorthin war alles andere als ein souveräner Machtantritt. Der CDU-Politiker, der bereits seit Jahren als konservatives Gesicht seiner Partei galt, musste eine schmerzhafte Niederlage im ersten Durchgang hinnehmen. Die Wahl wirft Fragen zur Stabilität der neuen Regierungskoalition auf – und offenbart erste Risse in dem politischen Projekt, das Merz nun anführen soll.

Ein Denkzettel zum Amtsantritt

Im ersten Wahlgang am Vormittag erhielt Merz nur 310 Stimmen – sechs weniger als für die absolute Mehrheit notwendig. Dabei verfügt die schwarz-rote Koalition aus CDU/CSU und SPD über 328 Sitze im Parlament. Das Ergebnis ist damit ein klares Signal: Nicht alle Abgeordneten der Regierungsparteien stehen hinter ihrem eigenen Kanzlerkandidaten. Die geheime Abstimmung machte es den Abweichlern leicht – und offenbar nutzten sie die Gelegenheit. Ob es sich um vereinzelte Proteststimmen oder eine organisierte Quittung für Merz’ Führungsstil handelt, ist derzeit unklar. Klar ist nur: Der Vertrauensverlust ist real.

Im zweiten Wahlgang am Nachmittag erreichte Merz dann 325 Stimmen – eine Mehrheit, aber keine Glanzleistung. Der Erfolg wirkt erkauft, nicht errungen. Der neue Kanzler startet geschwächt – und mit dem Makel, nicht einmal seine eigene Mehrheit beim ersten Versuch mobilisiert zu haben.

Regierung mit Startschwierigkeiten

Offiziell gaben sich die Koalitionsspitzen gelassen. „Das gehört zur Demokratie“, sagte ein CDU-Generalsekretär gegenüber Journalisten. Intern allerdings soll es heftig geknirscht haben. Besonders innerhalb der SPD soll es Unmut über die personelle und inhaltliche Dominanz der Union in der neuen Regierung geben. Auch der linke Parteiflügel habe nach Informationen aus Fraktionskreisen mit Enthaltung oder Ablehnung gedroht.

Die AfD, seit der Bundestagswahl größte Oppositionspartei, nutzte die Gelegenheit für scharfe Angriffe: „Diese Regierung ist schon bei Amtsantritt am Ende“, tönte Parteichef Chrupalla und forderte Neuwahlen – wohl wissend, dass seine Partei davon am meisten profitieren würde.

Ein Kanzler mit viel Schatten

Friedrich Merz tritt das Amt mit viel Ballast an. Seine rhetorische Härte, seine marktwirtschaftlichen Überzeugungen und seine Nähe zur Wirtschaft polarisieren seit Jahren. Nun muss er nicht nur eine Koalition führen, die ihn offenbar nicht geschlossen trägt, sondern auch ein Land, das an vielen Fronten unter Spannung steht: wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich.

Merz hat Reformen angekündigt: weniger Bürokratie, mehr Investitionen in Infrastruktur, eine restriktivere Migrationspolitik. Doch ob er dafür die nötige Rückendeckung bekommt, ist ungewiss. Schon jetzt munkelt man in Berlin, wie lange diese Koalition hält – und ob Merz die Autorität entwickeln kann, die ein Kanzler braucht.

Mehr Schatten als Glanz

Der heutige Tag hätte für Friedrich Merz der Triumph eines politischen Comebacks sein können. Stattdessen war er der Beweis dafür, wie fragil Macht sein kann – und wie tief der Zweifel auch in den eigenen Reihen sitzt. Die Abstimmung im zweiten Wahlgang mag die Kanzlerschaft formell besiegelt haben, doch politisch beginnt sie unter denkbar schlechten Vorzeichen. Deutschland hat nun einen Kanzler – aber noch lange keine stabile Regierung.

Geschrieben von: Dirk Lankow

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