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today2. Mai 2025
Eine Einstufung mit Ansage:
Warum die „gesichert rechtsextreme“ AfD eigentlich keine Überraschung ist – und was jetzt (nicht) passiert:
Es ist ein Schritt, der wie ein politisches Beben wirkt, aber gleichzeitig lange angekündigt war: Die Alternative für Deutschland (AfD) wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz am 2. Mai 2025 offiziell als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Doch statt Erleichterung wirft der Vorgang vor allem eine unbequeme Frage auf: Warum hat es so lange gedauert?
Bereits im Februar 2021 stufte das BfV die Partei als Verdachtsfall ein. Diese Maßnahme ermöglichte zwar eine genauere Beobachtung – inklusive nachrichtendienstlicher Mittel –, aber es dauerte über vier Jahre, bis die Behörde bereit war, die vollständige Hochstufung vorzunehmen. Erst ein 1.100 Seiten starkes internes Gutachten, das auf den Erkenntnissen dieser langen Beobachtungsphase basiert, führte zur jetzigen Bewertung. Zwischenzeitlich bestätigte im Mai 2024 das Oberverwaltungsgericht Münster die Rechtmäßigkeit der Beobachtung – ein juristischer Meilenstein, der allerdings ebenfalls mehr als drei Jahre nach der ursprünglichen Einstufung erfolgte.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich mit der Entscheidung des Verfassungsschutzes zufrieden und sprach von einer „klaren und eindeutigen Einschätzung“. Die AfD verfolge laut Faeser eine „völkische Ideologie“, die sich in rassistischen Aussagen insbesondere gegen Zugewanderte und Muslime äußere.
Kanzler Olaf Scholz äußerte sich deutlich verhaltener. Beide betonten die „hohen rechtlichen Hürden“ für ein mögliches Parteiverbot. Auch wenn nun offiziell festgestellt wurde, dass die Partei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeitet, bleiben politische Konsequenzen zunächst aus. Die AfD selbst reagierte mit Empörung und warf der Bundesregierung vor, aus „politischem Kalkül“ zu handeln.
Ein Verbot der AfD ist theoretisch möglich – praktisch aber ein juristischer Hürdenlauf. Laut Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes darf eine Partei nur verboten werden, wenn sie aktiv auf die Beseitigung der demokratischen Ordnung hinarbeitet und realistische Chancen besitzt, dieses Ziel zu verwirklichen. Zuständig für ein solches Verfahren ist allein das Bundesverfassungsgericht; beantragen kann es lediglich die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat.
Diese doppelte Voraussetzung – Ideologie und Potenzial zur Umsetzung – sorgte bereits 2017 dafür, dass ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD scheiterte. Zwar wurde deren Verfassungsfeindlichkeit anerkannt, doch es fehlte laut Gericht an der nötigen politischen Durchsetzungskraft. Ein ähnliches Scheitern im Fall der AfD könnte fatale Symbolwirkung entfalten – und der Partei weiteren Zulauf bescheren.
Trotz der offiziellen Einstufung bleiben konkrete politische Schritte bislang aus. Kritiker werfen dem Kanzleramt und dem Innenministerium vor, sich hinter juristischen Bedenken zu verstecken – während die Partei weiterhin in mehreren Landtagen sitzt, in Kommunen mitregiert und bei der Europawahl erneut zweistellig abschneiden könnte.
Die Frage ist also nicht nur, was beobachtet wurde – sondern warum trotz all dieser Erkenntnisse so wenig passiert ist. Wer vier Jahre braucht, um das Offensichtliche festzustellen, signalisiert weniger juristische Sorgfalt als politische Ratlosigkeit.
Die Einstufung der AfD als rechtsextremistisch ist ein überfälliger Schritt – und ein Beleg für die Trägheit des Rechtsstaats im Umgang mit antidemokratischen Bewegungen. Ein Parteiverbot mag aus juristischer Sicht kompliziert sein. Doch die politische Botschaft, die von dieser Untätigkeit ausgeht, ist ebenso gefährlich: Dass selbst eine radikale Bedrohung für die Demokratie jahrelang geduldet und letztlich ohne klare Konsequenzen hingenommen wird.
Geschrieben von: Dirk Lankow
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