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Vertrauen, Verantwortung, Verwirrung: Streit um Bezahlkarte spaltet Lemgoer Politik

today19. April 2025 5

Hintergrund
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Lemgo ringt um Flüchtlingspolitik – Bezahlkarte entfacht hitzige Debatte

Lemgo. Die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete sorgt in der Alten Hansestadt für politischen Zündstoff. Nachdem der Rat mehrheitlich für die Umsetzung der neuen Regelung stimmte, entbrannte ein heftiger Schlagabtausch zwischen CDU und Grünen – mit weitreichenden Vorwürfen und grundlegenden Fragen zur demokratischen Kultur.

Entscheidung im Rat trifft auf Widerstand

In einer geheimen Abstimmung hatte sich der Lemgoer Stadtrat für die Einführung der Bezahlkarte ausgesprochen. Diese ersetzt Bargeld- und Überweisungsleistungen für Asylsuchende künftig durch eine Guthabenkarte. Ziel ist es laut Unterstützern, die Verwaltung zu vereinfachen, Missbrauch zu verhindern und Integration zu fördern. Die Entscheidung fiel mit breiter Mehrheit – über Parteigrenzen hinweg.

Doch die Grünen, die sich im Vorfeld gegen die Karte ausgesprochen hatten, reagierten kritisch auf den Beschluss. In ihrer Pressemitteilung sprechen sie von einer „unnötigen Gängelung“ geflüchteter Menschen, von drohendem Mehraufwand für die Verwaltung sowie von integrationshemmenden und stigmatisierenden Auswirkungen der Maßnahme. Sie hatten beantragt, von der im Gesetz vorgesehenen „Opt-Out“-Regelung Gebrauch zu machen – also bewusst auf die Einführung zu verzichten.

CDU Lemgo spricht von „Demokratiegefährdung“

Die Reaktion der CDU ließ nicht lange auf sich warten. In einer scharf formulierten Erklärung warnt die Partei vor den politischen und gesellschaftlichen Folgen der Grünen-Kritik. Die Aussagen seien „besorgniserregend und demokratiegefährdend“, erklärte die CDU/Aufbruch C-Fraktion im Rat. Es sei „inakzeptabel“, eine mehrheitlich getroffene Ratsentscheidung öffentlich als „Rechtsruck“ zu deuten. Diese Rhetorik untergrabe das Vertrauen in demokratische Entscheidungsprozesse und spiele extremistischen Rändern in die Hände.

Fraktionsvorsitzender Carsten Steinmeier kritisierte: „Wer der demokratischen Mitte einen Rechtsruck unterstellt, verfolgt entweder eine spalterische Agenda oder verkennt die politische Realität.“

SPD: Kritik am Land, keine klare Linie im Rat

Auch die SPD meldete sich zu Wort – mit Kritik an der Landesregierung. Diese habe die Verantwortung für die Umsetzung der Bezahlkarte „auf die Kommunen abgewälzt“, was für zusätzliche Unsicherheit sorge. In der Ratsfraktion sei die Meinung zur Karte nicht einheitlich gewesen, jedes Mitglied habe frei entscheiden dürfen.

Argumente auf beiden Seiten – ein zerrissener Konsens

Während CDU und Verwaltung auf bundesweite Einigkeit und parteiübergreifende Zustimmung zur Bezahlkarte verweisen – auch Grüne Ministerinnen unterstützen das Modell –, warnen die Grünen vor einem Symbol der Bevormundung. In seiner Ratsrede betonte Grünen-Fraktionschef Dr. Burkhard Pohl die negativen Auswirkungen auf die Teilhabe geflüchteter Menschen und erinnerte an Lemgos humanitäres Selbstverständnis: „Wir sehen alle dieselbe Sonne, wir treten alle dieselbe Erde.“

Seine zentrale Frage: Warum ein funktionierendes System ändern, wenn es in Lemgo bislang kaum Probleme gibt?

CDU-Vorsitzender Steven Grimshaw hingegen sieht in der Kritik ein „politisches Ablenkungsmanöver“. Die Karte werde nicht nur in NRW, sondern bundesweit eingeführt – mit Unterstützung von SPD und Grünen auf Landes- und Bundesebene. Auch Lemgos Bürgermeister Markus Baier und die Verwaltung hätten die Entscheidung sachlich und transparent vorbereitet.

Einigung nicht in Sicht

Der politische Riss bleibt: Während die CDU die Entscheidung als pragmatischen Schritt im Rahmen einer bundesweiten Asylstrategie verteidigt, sehen die Grünen einen integrationspolitischen Rückschritt. Und mittendrin: die SPD – zerrissen zwischen Kritik am Verfahren und der Akzeptanz eines demokratischen Ratsbeschlusses.

Was bleibt, ist ein deutliches Signal: Die Einführung der Bezahlkarte hat in Lemgo nicht nur eine Verwaltungsfrage aufgeworfen – sondern eine Grundsatzdebatte über Verantwortung, Demokratie und den Umgang mit Menschen, die Schutz suchen.

Meinungskommentar von Stanley Dost: 

„Ein Ratsbeschluss sollte eine Entscheidung sein – kein Auslöser für Fundamentalkritik. Doch wenn Verwaltungsfragen zu Symbolfragen werden, wird Politik zum Kulturkampf. Was Lemgo braucht, ist keine weitere Polarisierung, sondern Klarheit: über Werte, Prozesse und das, was Integration wirklich bedeutet.“

Geschrieben von: stanley.dost

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