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Von der Waschküche ins Museum: Wie ein Puschen-König ein ganzes Kapitel deutscher Wirtschaftsgeschichte bewahrt

today10. April 2025

Hintergrund
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Versteckt im Salzufler Vorort – ein Museum voller Geschichte und Geschichten
Bad Salzuflen/Wülfer-Bexten. In der Bekampstraße 19 steht ein Gebäude, das von außen kaum erahnen lässt, welch Schatz sich darin verbirgt: das Puschen-Museum von Klaus Süllwald. Was einst eine lebendige Schuhmanufaktur war, ist heute ein deutschlandweit einzigartiges Zeitzeugnis – liebevoll und detailreich gestaltet von einem Mann mit Leidenschaft für Leder, Leisten und Lebensgeschichte, berichtet die lippische Wochenzeitung.

Wo einst 150 Paar Puschen am Tag entstanden
Die Räume atmen noch immer Werkstatt-Luft: funktionsfähige Maschinen, Stanzen, Leistenkörbe und Musterstiefel, die zeigen, wie hier früher gearbeitet wurde. Bis zur Corona-Pandemie wurden hier täglich bis zu 150 Paar Schuhe und Hausschuhe gefertigt – mit bis zu 20 Mitarbeiter*innen. Heute stehen dort Ausstellungsstücke, die von einem fast vergessenen Wirtschaftszweig erzählen: der Schuhindustrie in Bad Salzuflen.

Die goldenen Zeiten der „Puschen-Buden“
In den 1920er-Jahren existierten in Bad Salzuflen rund 40 kleine Schuhfabriken, die sogenannten „Puschen-Buden“. Namen wie Plöger, Schwabedissen oder Tellbüscher prägten das Stadtbild. Klaus Süllwalds Museum erzählt ihre Geschichten – und die seiner eigenen Familie. Der Ursprung? Eine Waschküche und ein Schuppen im Garten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Eine Geschichte aus Filz, Fleiß und Flexibilität
Die Familie Süllwald startete mit Aufträgen der Bundeswehr, musste sich nach deren Eigenproduktion neu orientieren, übernahm Lohnarbeiten, baute einen Neubau und schuf sich mit Lammfell-Puschen in den 1980ern ein zweites Standbein. Doch der Preisdruck im Handel, billige Konkurrenz aus dem Ausland und die Pandemie machten schließlich auch diesem Kapitel ein Ende.

Ein Museum lebt – und näht!
Heute führt Klaus Süllwald seine Gäste durch das Museum – nicht als trockener Kurator, sondern als lebendiger Erzähler. Er reparierte Maschinen, sammelte Exponate, schuf ein Erlebnis, das weit mehr als nur Schuhe zeigt. Wer will, kann bei einem Workshop sogar selbst Hand anlegen und unter seiner Anleitung Puschen nähen. Das Angebot entsteht in Kooperation mit der VHS Bad Salzuflen – und ist so individuell wie die handgemachten Tanzstiefel, die er noch heute für den Kölner Karneval fertigt.

Eintritt in eine vergangene Welt – für nur fünf Euro
Zwei Stunden dauert die Führung durch Lager, Werkstatt und Herz eines Mannes, der mit seinem Museum nicht nur die Geschichte seiner Familie, sondern auch ein Stück Salzufler Identität bewahrt. Klaus Süllwalds Leidenschaft ist ansteckend – und seine Tür steht allen offen, die eintreten wollen in die faszinierende Welt der Puschen.

Geschrieben von: Florian Jäger

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