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Kämpfende Würde: Menschen mit Behinderung im System der Ausbeutung!

today23. März 2025 3

Hintergrund
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In Einrichtungen wie der Lebenshilfe in Lemgo und anderen großen Institutionen für Menschen mit Behinderung werden diese Menschen oft unter unzureichenden Bedingungen beschäftigt und erhalten in vielen Fällen nur geringe Entlohnung. Die Arbeit, die sie leisten, wird in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) als „Reha-Maßnahme“ betrachtet, was bedeutet, dass sie keinen regulären Arbeitsvertrag haben und keine Arbeitnehmerrechte genießen. Stattdessen erhalten sie ein sogenanntes „Werkstatt-Entgelt“, das oft unter dem Mindestlohn liegt und lediglich als finanzielle Unterstützung dient.

Nach investigativen Recherchen in der Lebenshilfe und anderen Einrichtungen hat unsere Redaktion vom HörfunkBund e. V. herausgefunden, dass nicht nur die Werkstattbeschäftigten betroffen sind. Auch Mitarbeiter berichten von unzulänglichen Arbeitsbedingungen. So müssen selbst die Beschäftigten, die in diesen Einrichtungen arbeiten, oft zusätzlich für ihr Mittagessen bezahlen, obwohl sie keine regulären Arbeitnehmerrechte genießen. In einigen Fällen sollen auch Gehälter gar nicht oder nur unvollständig ausgezahlt worden sein. Diese Praktiken werfen ein kritisches Licht auf das gesamte System der Werkstätten und die Zustände, die dort herrschen.

Die Kritik an diesem System wird immer lauter. Katrin Langensiepen, EU-Parlamentarierin der Grünen und selbst von einer Behinderung betroffen, beschreibt die Werkstätten als „das bestausgeweitete Billiglohn-Modell in der EU“, da diese Einrichtungen es Unternehmen ermöglichen, zu sehr niedrigen Kosten zu produzieren. Die Beschäftigten haben weder das Streikrecht noch Zugang zu sozialen Absicherungen, die reguläre Arbeitnehmer haben. Langensiepen betont, dass es bei der Lösung dieses Problems nicht nur um die Einführung des Mindestlohns geht, sondern um eine tiefgreifende Reform des gesamten Systems.

In Einrichtungen wie den Mosaik-Werkstätten in Berlin und auch bei der Lebenshilfe in Lemgo arbeiten Menschen, die oft einfache Aufgaben erledigen, wie das Sortieren von Einzelteilen oder die Bearbeitung von Textilien. Diese Aufgaben werden unter weniger anspruchsvollen Bedingungen und mit längeren Arbeitszeiten als in der freien Wirtschaft ausgeführt, was die geringe Entlohnung nur bedingt rechtfertigt. Der Übergang in den regulären Arbeitsmarkt bleibt für die Mehrheit der Beschäftigten in den Werkstätten ein weit entferntes Ziel – lediglich ein kleiner Prozentsatz findet den Weg in die freie Wirtschaft.

Die politische Verantwortung für diese Missstände wird zunehmend hinterfragt. Viele Politiker, obwohl sie die Problematik kennen, scheinen nur zögerlich Maßnahmen zu ergreifen. Die Kritik an dieser Praxis wird auch von internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen laut, die in der Vergangenheit bereits auf die Diskrepanz zwischen dem deutschen Werkstättensystem und den Rechten von Menschen mit Behinderung hingewiesen haben. Das System steht im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention, die den Zugang zu gleichberechtigter Arbeit und faire Bezahlung für alle fordert.

Die Politik hat die Möglichkeit, durch eine umfassende Reform des Werkstatt-Systems eine echte Veränderung herbeizuführen. Es geht nicht nur um die Frage der Bezahlung, sondern auch um die grundlegende Inklusion von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. Die derzeitige Praxis der Werkstätten hindert Menschen mit Behinderung daran, ihre Fähigkeiten und Potenziale in vollem Umfang zu entfalten. Die notwendigen politischen Entscheidungen zur Verbesserung dieser Situation stehen noch aus.

Geschrieben von: stanley.dost

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