Deutschland

Immer mehr Fälle – Staatsanwaltschaften überlastet

today11. März 2025

Hintergrund
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Bei Staatsanwaltschaften stapeln sich unerledigte Fälle

Die Zahl der offenen Fälle bei den deutschen Staatsanwaltschaften ist in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Laut dem Deutschen Richterbund haben sich die unerledigten Verfahren seit 2021 um knapp 30 Prozent erhöht. Dies hat weitreichende Konsequenzen: Immer häufiger werden Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen, da ihre Verfahren nicht schnell genug bearbeitet werden können.

Aktuell gibt es etwa 933.000 offene Fälle, wie der Deutsche Richterbund mitteilt. Im Vergleich zu 2021 bedeutet dies einen Anstieg von knapp 30 Prozent. Diese Zahlen basieren auf einer Umfrage der Deutschen Richterzeitung unter den Justizverwaltungen der Länder. In der Erhebung wurden ausschließlich Verfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte erfasst.

„Die Alarmsignale für einen überlasteten Rechtsstaat häufen sich.“

Sven Rebehn, Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes, äußert sich gegenüber der dpa besorgt. Besonders alarmierend sei die Zahl der Tatverdächtigen, die 2024 aus der Untersuchungshaft entlassen wurden, weil ihre Strafverfahren nicht rechtzeitig abgeschlossen werden konnten. Mehr als 60 mutmaßlich Kriminelle kamen dadurch bundesweit auf freien Fuß.

Die wachsenden Aktenberge haben nicht nur längere Verfahren zur Folge, sondern auch eine geringere Anzahl an Anklagen. Dies beeinträchtigt die Effizienz des Rechtssystems erheblich und könnte langfristig das Vertrauen in die Justiz untergraben.

Nordrhein-Westfalen besonders betroffen

Besonders betroffen von der hohen Zahl unerledigter Verfahren ist Nordrhein-Westfalen. Dort stieg die Anzahl offener Fälle von 191.604 im Jahr 2021 auf 255.245 Ende 2024. Damit verzeichnet das bevölkerungsreichste Bundesland die höchste Fallzahl. Auch in Hessen (107.901 Fälle in 2024 gegenüber 82.028 in 2021) und Bayern (83.433 Fälle in 2024 gegenüber 67.475 in 2021) zeigt sich eine deutliche Verschärfung der Situation.

Besonders gravierend ist die Entwicklung in Hamburg. Dort hat sich die Anzahl offener Fälle mehr als verdoppelt: von 22.900 im Jahr 2021 auf 47.953 Ende 2024. Auch Sachsen verzeichnete einen massiven Anstieg um 54 Prozent, von 29.915 offenen Verfahren im Jahr 2021 auf 46.079 im Jahr 2024.

Eine Ausnahme bildet Berlin: Als einziges Bundesland konnte es mehr Verfahren abschließen, als neue hinzugekommen sind. Die Zahl der offenen Fälle sank von 34.763 im Jahr 2021 auf 34.176 im Jahr 2024.

Richterbund fordert Sofortprogramm

Die Staatsanwaltschaften haben 2024 zum dritten Mal in Folge mehr als fünf Millionen neue Fälle erhalten – insgesamt 5,3 Millionen. Angesichts dieser alarmierenden Zahlen fordert der Deutsche Richterbund eine schnelle politische Reaktion. Besonders an die mögliche schwarz-rote Koalition richtet sich der Appell, dringend Maßnahmen zur Entlastung der Justiz zu ergreifen.

„Es ist offensichtlich, dass es jetzt ein Sofortprogramm braucht, damit die Strafjustiz nicht zum Flaschenhals bei der Kriminalitätsbekämpfung wird“, so Rebehn.

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Politik auf diese Forderungen reagiert und effektive Maßnahmen ergreift, um die Justiz zu entlasten und das Vertrauen in den Rechtsstaat zu sichern.

Geschrieben von: Dirk Lankow

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