Deutschland

Der lange Weg zur Freigabe: Wie Deutschland die Pornografie enttabuisierte

today27. Januar 2025

Hintergrund
share close

In Zeiten von Plattformen wie OnlyFans kaum vorstellbar: Erst 1975 wurde in der Bundesrepublik das strikte Verbot der Pornografie aufgehoben. Mit der Reform des Paragrafen 184 StGB setzte die Regierung unter der sozial-liberalen Koalition ein Zeichen. Die Neuregelung erlaubte Erwachsenen Zugang zu „einfacher“ Pornografie, während „harte“ Inhalte mit Gewalt oder illegalen Darstellungen weiterhin verboten blieben. Ziel war es, gesellschaftlich schädliche Inhalte zu verhindern und gleichzeitig die persönliche Freiheit zu fördern.

Dänemark als globaler Vorreiter
Die Liberalisierung in Deutschland kam spät im internationalen Vergleich. Bereits 1967 hatte Dänemark, angetrieben von seiner Tradition des „Frisind“ (Freisinn), Pornografie freigegeben und sich zum Zentrum einer sexualmoralischen Debatte entwickelt. Länder wie Schweden und Frankreich folgten in den 70er-Jahren, während Österreich erst 1977 eine Teilfreigabe umsetzte.

Ein Urteil mit Signalwirkung
Der Wandel in Deutschland wurde maßgeblich durch das „Fanny-Hill-Urteil“ von 1969 angestoßen. Der Bundesgerichtshof entschied damals, dass der Staat nicht länger mittels Strafrecht eine bestimmte Sexualmoral durchsetzen sollte. Erwachsene sollten selbst bestimmen dürfen, was sie konsumieren. Historiker Paul M. Horntrich beschreibt dies als Abkehr vom traditionellen Moralprinzip hin zu einer Regulierung, die vor allem auf sozialschädliche Inhalte fokussiert war.

Ein Zeitgeist des Umbruchs
Der gesellschaftliche Druck war immens. Nach der Freigabe in Dänemark wurde Deutschland von einer Welle importierter Pornografie überschwemmt. Händler agierten oft heimlich, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Die fehlende rechtliche Klarheit führte zu einer breiten Debatte, die schließlich 1973 im Bundestag beschlossen und 1975 rechtlich umgesetzt wurde.

Doppelmoral und Sextourismus
Die Jahre vor der Liberalisierung offenbarten eine verlogene Doppelmoral. Historiker berichten von deutschen Sextouristen, die nach Dänemark reisten, um dort Pornografie zu konsumieren – offiziell schockiert, insgeheim neugierig. Der Kulturhistoriker Detlef Siegfried nennt diese Periode eine Zeit des gesellschaftlichen Wandels, in der Tabus gebrochen und Moralvorstellungen hinterfragt wurden.

Das Erbe der Liberalisierung
Die Reform von 1975 legte den Grundstein für eine neue Ära: Die Freiheit des Einzelnen wurde über moralische Dogmen gestellt. Doch sie markierte auch den Beginn einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der Pornografie, die bis heute andauert.

Diese Geschichte gibt es auch als Beitrag bei Electronic Flow am Mittwoch ab 07:00 Uhr. 

Geschrieben von: Dirk Lankow

Rate it

Beitrags-Kommentare (0)

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * gekennzeichnet